Regie

Brigitte Grothum

„Warum führen Sie dieses Mysterienspiel immer wieder auf?“, werde ich häufig gefragt. Hier meine Antwort: In meinen Augen hat der „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal seit seiner Uraufführung im Jahre 1911 nichts von seiner Aktualität verloren, sondern eine geradezu schmerzhafte Bedeutung gewonnen. So wie heute, in unserer globalisierten Welt, weder eine Anbindung an Ideale, noch Mitleid den Absturz in die Ellenbogengesellschaft hemmen, wie ungezügeltes Gewinnstreben möglicherweise in eine Katastrophe führt, so wird der symbolhaft für uns alle stehende „Jedermann“ durch die Wiedergewinnung des Glaubens an höhere Werte gerettet. Ich denke, dass die Menschen, die alljährlich immer wieder als Publikum zu unserem „Jedermann“ kommen, diese tragische Situation der Menschheit und damit ihre eigene erahnen und die Lösung, die in dem Stück verheißen wird, als Trost empfinden. Bei meiner Inszenierung strebe ich danach, eine immer intensivere Annäherung an die Intention des Dichters zu gewinnen, der sagt: … „Vieles ist uns zu Gebote, aber wir sind keine Gebieter, was wir besitzen sollten, das besitzt uns, und was das Mittel aller Mittel ist, das Geld, wird uns in dämonischer Verkehrtheit zum Zweck der Zwecke“ …

Kurzbiographie

Brigitte Grothum wurde in Dessau geboren, lebt aber seit 1950 in Berlin. Hier absolvierte sie bei Marlise Ludwig und Herma Clement ihre Schauspielausbildung und debütierte 1954 am Zimmertheater in Tempelhof. Es folgten zahlreiche Engagements an allen führenden Bühnen im Westteil der Stadt, Gastspiele in Frankfurt am Main, Zürich, Salzburg, Hamburg (Thalia-Theater, Deutsches Schauspielhaus, Ernst-Deutsch-Theater), Tourneen durch Deutschland, Österreich, die Schweiz und Südamerika, sowie Rollen bei den Salzburger, Heppenheimer und Forchtensteiner Festspielen. Ihr Repertoire umfasst Rollen von der Klassik über die Moderne bis zum Boulevard. Ebenso breit ist das Spektrum ihrer Rollen in bisher über 200 Fernsehproduktionen. Erwähnt sei nicht zuletzt ihre Hauptrolle in der bekannten Vorabend-Serie „Drei Damen vom Grill“, die sechtzehn Jahre erfolgreich lief.

Hauptrollen spielte Brigitte Grothum auch in über 20 Kino-Filmen. Ihre ganz besondere Liebe gilt ihren literarischen Solo-Lesungen, die sie jeweils einzelnen Autoren gewidmet hat: zum Beispiel Feuchtwanger, Heine, Fontane, Kleist, Kolmar, Hölderlin, Chamisso, Gaudy, Wilde und Gogol. Eine CD mit Texten aus der Literatur, der Religion und der Philosophie ist unter dem Titel „Glaube, Hoffnung, Liebe“ erschienen.

Seit 1987 führt sie auch Regie, z.B. im Hebbel Theater „Nie wieder Köpenick“, Volksstück von Dieter Lenz und „David“, Stückfragment von Bertolt Brecht. Im Theater am Palais „Der Millionär und sein Leibwächter“, Komödie von Alexander und Lew Schargorodski, im Hause der Stachelschweine „Der Kaiser von Neukölln“, Volksstück von Horst Pillau und im Hansa-Theater „Eine total verrückte Entführung“, Komödie von Alain Renaud-Fourton.

1987 inszenierte sie zum ersten Mal Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“. Inzwischen sind ihre JEDERMANN-Festspiele, die seit dem Fall der Mauer jährlich im Herbst im Berliner Dom stattfinden, zu einer festen Institution geworden, die auch viele Besucher aus ganz Deutschland in die Hauptstadt zieht.